Pixel vor Augen – Die Geschichte der Virtual Reality bis zur Apple Vision Pro

Estimated reading time: 5 Minuten

Von philosophischen Träumen zu Spatial Computing: Ein technischer Streifzug durch 60 Jahre VR

Die Apple Vision Pro hat dem Thema Virtual Reality frischen Schwung gegeben – doch das Konzept immersiver digitaler Welten ist viel älter als viele glauben. In diesem Beitrag zeichnen wir die wichtigsten Etappen der VR-Geschichte nach – aus IT-Perspektive.


1. Die Ursprünge: VR als Idee vor der Technologie

Bevor VR technisch greifbar wurde, war sie bereits philosophisch und künstlerisch präsent: Platons Höhlengleichnis, Antonin Artauds „la réalité virtuelle“ oder Stanley G. Weinbaums Sci-Fi-Vision „Pygmalion’s Spectacles“ zeigen, wie alt der Wunsch nach künstlichen Welten ist.

Technisch begann alles mit der Stereoskopie (1838, Charles Wheatstone) – zwei leicht unterschiedliche Bilder erzeugen räumliche Tiefe. Das Prinzip ist noch heute zentraler Bestandteil jeder VR-Brille.


2. Die ersten Geräte: Sensorama & Telesphere Mask

In den 1950ern schuf Morton Heilig das Sensorama – eine multisensorische „Erlebnis-Maschine“ mit Geruch, Wind, Ton und 3D-Bild. Seine Telesphere Mask (1960) war das erste Head-Mounted Display (HMD) mit stereoskopischem Bild und Ton – allerdings ohne Interaktivität.

Fazit: Die Technik funktionierte, aber es fehlten Markt, Inhalte und Investoren. Ein wiederkehrendes Thema in der VR-Geschichte.


3. Der Paradigmenwechsel: Sutherlands „Ultimate Display“

Ivan Sutherland revolutionierte VR mit seiner Idee eines computergenerierten Raums (1965) und baute mit dem „Schwert des Damokles“ (1968) das erste VR-System mit:

  • stereoskopischem HMD
  • Tracking der Kopfposition
  • Echtzeitgrafik via Computer

Das System legte die Basis für heutige VR: ein Zusammenspiel aus Headset, Tracking, Software, Interaktion und Computergrafik.


4. Die wilden 90er: VR wird (zu) früh kommerziell

Die 1980er/90er sahen erste VR-Firmen wie VPL Research (Jaron Lanier), NASA-Experimente und das CAVE-System. Produkte wie der DataGlove oder das EyePhone wirkten futuristisch, waren aber teuer und unausgereift.

Konsolenversuche wie der Nintendo Virtual Boy oder Sega VR scheiterten an technischen Limitierungen, Motion Sickness und schwachem Content.

Ergebnis: der erste große VR-Hype kollabierte – es folgte ein „VR-Winter“.


5. Der Reboot: Oculus, Vive und PSVR starten die Renaissance

Erst durch den Smartphone-Boom wurde VR technisch und wirtschaftlich wieder interessant: günstige, hochauflösende Displays, MEMS-Sensoren und mobile Prozessoren machten immersive Systeme massentauglich(er).

2012 präsentierte Palmer Luckey die Oculus Rift – später von Facebook für 2 Mrd. $ gekauft. 2016 kamen gleich drei VR-Systeme auf den Markt:

  • Oculus Rift CV1: PC-VR mit externem Tracking und Touch-Controllern
  • HTC Vive: Room-Scale VR mit Valve’s Lighthouse-System
  • PlayStation VR: Konsolen-VR für Einsteiger

Die Technik war ausgereifter, aber Kabel und komplexe Setups blieben Hürden für die breite Masse.


6. Kabellos, eigenständig, erfolgreich: Die Meta Quest-Ära

Mit der Oculus Quest (2019) und besonders der Quest 2 (2020) gelang VR der Sprung in den Mainstream. Erstmals gab es:

  • 6DoF-Tracking ohne externe Sensoren
  • vollständig kabellose Nutzung
  • Inside-Out-Tracking mit Kameras und SLAM
  • aggressiver Einstiegspreis ($299)

Die Quest 2 verkaufte sich millionenfach. Sie setzte einen neuen Standard für Standalone-VR – einfach, günstig, mobil.


7. Display, Tracking, Steuerung – die technische Evolution

Displaytechnologien:

  • Von CRTs und LED-Matrizen zu OLED und später LCD
  • Heute setzen High-End-Headsets wie Vision Pro auf Micro-OLED – gestochen scharf, aber teuer.

Tracking:

  • Outside-In (z. B. Valve Index): höchste Präzision, aber aufwändig
  • Inside-Out (z. B. Meta Quest): Plug-and-Play, ideal für Konsumenten

Controller & Eingabe:

  • Touch-Controller mit Fingertracking (Oculus)
  • Knuckles (Valve): vollständige Fingerverfolgung
  • Hand- & Eye-Tracking setzen sich zunehmend durch

Mixed Reality via Passthrough:

  • Moderne Headsets wie Quest 3 und Vision Pro erlauben farbiges, latenzarmes Passthrough und echte Mixed-Reality-Erlebnisse.

8. Apple Vision Pro: Der Einstieg in Spatial Computing

Mit der Vision Pro (2024) definiert Apple das Feld neu – als „Spatial Computing“, nicht VR. Statt Gaming steht Produktivität, Kommunikation und Mixed Reality im Fokus.

Technik-Highlights:

  • Zwei Micro-OLED-Displays mit über 23 Mio. Pixeln
  • M2 & R1-Chip für ultra-niedrige Latenz (12 ms)
  • Eye- und Hand-Tracking als primäre Eingabemethoden
  • Hochwertiges Passthrough & Spatial Audio
  • visionOS als neue Plattform für 3D-Apps im Raum
  • Preis: ab $3.499

Kritik gibt es für Gewicht, Akkulaufzeit und App-Auswahl – doch technologisch setzt Apple Maßstäbe.


9. Ausblick: Was kommt nach dem Hype?

Die Reise der VR ist geprägt von Zyklen: Innovation – Hype – Ernüchterung – Reife. Heute ist die Technik da, Inhalte folgen langsam. Die nächste Phase wird geprägt von:

  • leichteren, kompakteren Headsets
  • noch besseren Displays (PPD, FoV, HDR)
  • natürlicher Interaktion (Hände, Augen, Stimme, vielleicht Gehirn)
  • Integration von KI
  • Mixed/Spatial Reality für Produktivität, Bildung, Industrie

Meta und Apple zeigen zwei Wege: Massentaugliche VR vs. High-End Spatial Computing. Beide sind Teil der nächsten Computing-Plattform.


Zum Schluß:
Vom Sensorama bis zur Vision Pro – VR war nie tot, nur ihrer Zeit voraus. Heute hat sie das Potenzial, unser Arbeiten, Spielen und Kommunizieren nachhaltig zu verändern. Die virtuelle Realität ist dabei, real zu werden.

Sei der Erste, der das kommentiert

Kommentare sind geschlossen, allerdings sind Trackbacks und Pingbacks möglich.