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Als Apple im Juni 2023 auf der Worldwide Developers Conference (WWDC) die erste Version der Vision Pro ankündigte, waren die Erwartungen hoch. Die Mixed-Reality-Brille sollte das Tor zu einer neuen Ära des „Spatial Computing“ eröffnen – eine Verschmelzung von realer und digitaler Welt, gesteuert über Augen, Hände und Stimme. Apple versprach nichts Geringeres als eine Revolution der menschlichen Interaktion mit digitalen Inhalten. Doch fast zwei Jahre nach der Ankündigung fällt die Bilanz ernüchternd aus. Die Vision Pro konnte die hohen Erwartungen in puncto Alltagstauglichkeit, Tragekomfort und Preis-Leistungs-Verhältnis nicht erfüllen.
Nun arbeitet Apple an einer zweiten Version: der Vision Pro 2. Diese soll die Schwächen des Erstlings ausbügeln und dem ambitionierten Projekt eine zweite Chance geben. In diesem Artikel werfen wir einen detaillierten Blick auf das, was bisher bekannt ist: Technische Neuerungen, geplante Designänderungen, strategische Ausrichtung – und die Frage, ob Apple mit der Vision Pro 2 wirklich die Kehrtwende gelingen kann.
Rückblick: Warum die erste Vision Pro nicht zündete
Als die Vision Pro Anfang 2024 in den USA auf den Markt kam – zu einem Preis von rund 3.499 US-Dollar –, war sie technologisch zweifellos beeindruckend. Zwei 4K-Micro-OLED-Displays, ein leistungsstarker M2-Chip, ein separater R1-Prozessor zur Verarbeitung der Sensordaten, Eye Tracking, Hand-Tracking, Pass-Through-Kamera mit Farbdarstellung: Apple hatte vieles richtig gemacht. Und doch blieben die Verkaufszahlen deutlich hinter den Erwartungen zurück.
Dafür gab es mehrere Gründe:
- Preis: Mit einem Startpreis von über 3.500 USD bzw. rund 4.000 Euro in Europa war die Vision Pro für die meisten Verbraucher schlicht unerschwinglich.
- Komfort: Die Brille wog rund 650 bis 700 Gramm – zu viel für längere Nutzung. Nutzer klagten über Druckstellen, Nackenschmerzen und eine insgesamt unbequeme Passform.
- Akkulaufzeit: Der externe Akku hielt lediglich zwei Stunden durch. Für produktives Arbeiten oder Unterhaltung im Alltag war das unzureichend.
- App-Angebot: Zum Start war das App-Ökosystem begrenzt. Viele Anwendungen stammten aus der iPad-Welt, native VisionOS-Apps blieben rar.
- Anwendungsfälle: Viele Nutzer fragten sich, wofür sie die Brille überhaupt sinnvoll nutzen sollten. Es fehlte an sogenannten „Killer-Features“.
Apple steht nun vor der Herausforderung, diese Schwächen auszubessern – ohne dabei seine ursprüngliche Vision aus den Augen zu verlieren.
Apple Vision Pro 2: Was wir bisher wissen
Apple hat die Arbeit an einer direkten Nachfolgeversion der Vision Pro – der Vision Pro 2 – bestätigt, wenngleich keine offiziellen Details veröffentlicht wurden. Verschiedene Berichte, unter anderem von Techgarage, Bloomberg und The Information, deuten aber auf mehrere zentrale Neuerungen hin.
1. M4-Chip als neues Herzstück
Eine der größten Hardware-Änderungen ist der erwartete Wechsel vom bisherigen M2- zum neueren M4-Chip. Der M4 wurde erstmals im iPad Pro 2024 eingesetzt und bietet deutlich höhere Leistungsreserven bei gleichzeitig verbesserter Energieeffizienz. Für die Vision Pro 2 bedeutet das:
- Mehr Rechenleistung für Echtzeitverarbeitung von 3D-Umgebungen
- Verbesserte Grafikleistung, insbesondere bei räumlichen Anwendungen und immersiven Videos
- Effizientere Neural Engine, z. B. für optimiertes Eye Tracking, Spracherkennung oder KI-basierte Analyse von Umgebungsdaten
Gerade Letzteres ist entscheidend: Mixed Reality basiert auf dem Prinzip, die Umgebung des Nutzers in Echtzeit zu erfassen und digital anzureichern. Hier sind performante KI-Engines essenziell – etwa um Handbewegungen exakt zu erkennen oder virtuelle Objekte realistisch im Raum zu platzieren.
2. Neues ergonomisches Design
Ein weiterer Fokus liegt auf dem Tragekomfort. Der hohe Schwerpunkt und das massive Gewicht der ersten Vision Pro führten zu Kritik und physischen Beschwerden bei vielen Nutzern. Apple arbeitet laut interner Quellen an einem komplett überarbeiteten Kopfband, das:
- Das Gewicht besser über den gesamten Schädel verteilt
- Variable Einstellungsmöglichkeiten für unterschiedliche Kopfgrößen bietet
- Die Stirnpartie entlastet und Druckstellen reduziert
- Optional aus atmungsaktiven Materialien gefertigt ist
Auch über eine Reduktion des Gerätegewichts wird spekuliert – etwa durch leichtere Materialien und ein kompakteres Chassis. Ob Apple zudem auf eine Integration des Akkus ins Headset verzichten wird, bleibt offen. Aktuell hängt der Akku noch per Kabel an der Brille – was sowohl praktisch als auch ästhetisch fragwürdig ist.
3. Verbesserungen bei Displays und Sensorik
Die Displays der Vision Pro gehörten bereits zur ersten Generation zu den besten am Markt. Dennoch könnte Apple nachlegen – etwa durch:
- Höhere Helligkeit für Außeneinsätze
- Verbesserte Farbwiedergabe und Kontraste für immersivere Inhalte
- Effizientere Darstellung bei geringem Stromverbrauch
Auch bei den Kameras und Sensoren wird eine neue Generation erwartet, insbesondere im Bereich der Pass-Through-Technologie. Ziel ist es, die „digitale Realität“ noch realistischer mit der physischen Umgebung zu verschmelzen – etwa durch weniger Latenz, höhere Bildfrequenz und bessere Tiefenwahrnehmung.
Apple und das Spatial Computing: Vision oder Illusion?
Apple sieht das Spatial Computing – also die räumliche Interaktion mit digitalen Inhalten – als eine der zentralen Zukunftstechnologien. Doch bisher bleibt unklar, ob der Markt diese Vision teilt. Während Meta mit der Quest 3 eher auf günstige Consumer-Hardware und Gaming-Fokus setzt, positioniert sich Apple als Premium-Anbieter für professionelle Nutzung, Produktivität und immersive Medienerlebnisse.
Der Begriff „Killer-App“ ist dabei zentral. Beim iPhone war es der mobile Internetzugang mit Safari, später App Store, Kamera und Messaging. Bei der Vision Pro fehlt bisher eine solche Funktion, die breiten Nutzen generiert. Meetings in 3D, virtuelle Desktops oder Panorama-Filme mögen beeindruckend sein, rechtfertigen für viele aber keine 4.000 Euro.
Apple hofft, mit der Vision Pro 2 einen besseren Fit zu finden: Geringeres Gewicht, mehr Leistung, ausgereiftere Software – und vielleicht auch ein strategisch besser platzierter Preis.
Preisfrage: Was wird die Vision Pro 2 kosten?
Bisher ist nicht bekannt, ob Apple beim Preis der Vision Pro 2 nachbessern wird. Es wäre denkbar, dass der Preis durch optimierte Produktionsprozesse, günstigere Materialien oder modularere Bauweise etwas sinkt. Allerdings hat Apple nie den Anspruch verfolgt, der günstigste Anbieter zu sein – sondern der qualitativ hochwertigste.
Interessanter ist daher die parallele Entwicklung eines weiteren Modells: Laut internen Berichten soll Apple an einer abgespeckten Version der Vision Pro arbeiten, die sich stärker an den Massenmarkt richtet. Diese „Vision“ oder „Vision Light“ (Arbeitstitel) könnte frühestens 2027 erscheinen, aber unter 2.000 USD kosten – und damit erstmals echte Konkurrenz zur Quest 3 oder zukünftigen Meta-Brillen darstellen.
VisionOS: Das Betriebssystem der nächsten Generation?
Ein unterschätzter Bestandteil der Vision Pro ist das Betriebssystem visionOS. Apple hat mit visionOS ein komplett neues System geschaffen, das speziell für räumliche Interaktion optimiert ist. Der Erfolg der Vision Pro 2 hängt auch davon ab, wie schnell Apple Entwickler dazu bringt, native Anwendungen zu schreiben – etwa für:
- Design & Produktivität (z. B. CAD-Tools in 3D)
- Medizinische Anwendungen (z. B. OP-Simulationen)
- Bildung und Training (z. B. historische Rekonstruktionen)
- Entertainment (z. B. 360°-Serien, immersive Sport-Streams)
Mit visionOS 2.0 – möglicherweise parallel zur neuen Hardware – könnten neue APIs, KI-Funktionen und Schnittstellen zu iOS/macOS-Ökosystemen den App-Ausbau deutlich beschleunigen.
Fazit: Apple steht an einem Scheideweg
Die Vision Pro 2 ist für Apple mehr als nur ein Produkt-Update. Es ist ein strategischer Wendepunkt. Scheitert auch die zweite Generation daran, den Markt zu überzeugen, könnte das Projekt „Spatial Computing“ in Cupertino mittelfristig auf Eis gelegt werden – oder zumindest in eine Nische abwandern.
Gelingt es Apple hingegen, die technischen Schwächen zu beheben und mit der richtigen Preisstrategie, Softwareunterstützung und Entwicklermotivation neue Zielgruppen zu erreichen, könnte die Vision Pro 2 die Tür in eine neue Produktkategorie öffnen – so, wie es einst das iPhone oder die Apple Watch taten.
Ausblick
Die kommenden Monate werden zeigen, wie ernst es Apple mit dem Mixed-Reality-Segment ist. Die Erwartungen an die Vision Pro 2 sind hoch – nicht nur technisch, sondern auch strategisch. Wenn Apple es schafft, eine überzeugende Kombination aus Hardware, Software, Komfort und Preis zu liefern, könnte das Spatial Computing doch noch zu dem werden, was es in den Augen von Tim Cook immer war: Die nächste große Plattform.
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