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Es ist der Albtraum jedes Admins: Alles läuft stabil, die Monitoring-Tools sind grün – und plötzlich meldet das Rechenzentrum: „Brand im Serverraum“. Genau für diesen Moment ist moderne IT-Infrastruktur gebaut. Denn die Frage ist nicht, ob Hardware irgendwann ausfällt, sondern wie professionell man damit umgeht.
In diesem Artikel schauen wir hinter die Kulissen:
Wie wird ein Rechenzentrum gegen Feuer abgesichert? Und was passiert konkret, wenn es in einem einzelnen Server anfängt zu brennen?
Vom Bürobrand zum Hochsicherheitsraum: Was Rechenzentren anders machen
Ein Serverraum ist kein normales Büro mit ein paar Steckdosenleisten. Die Gebäudeplanung folgt hier knallharten Brandschutzkonzepten.
1. Baulicher Brandschutz: Der Raum als Schutzschild
Schon die Hülle des Serverraums ist Teil der Sicherheitsstrategie:
- Brandabschnitte: Der Serverraum ist ein eigener Brandabschnitt – getrennt von Büros, Lager, Batterieräumen.
- Feuerbeständige Bauteile: Wände, Türen, Kabeldurchführungen sind in der Regel feuerhemmend ausgeführt (z. B. F30/F90).
- Minimal brennbare Materialien: Kartons, Papier, Holzregale haben im Serverraum eigentlich nichts verloren. Was nicht brennt, kann auch nicht mitbrennen.
Das Ziel: Selbst wenn es im Serverraum zu einem Brand kommt, soll das Feuer nicht einfach in andere Gebäudeteile durchschlagen – und umgekehrt.
Früherkennung: Feuer soll gar nicht erst zum Feuer werden
Bevor Flammen sichtbar sind, passiert etwas anderes: Elektronik fängt an zu schmoren, Kunststoffe gasen aus, winzige Rauchpartikel entstehen. Genau dort setzen moderne Systeme an.
2. Rauchansaugung statt 08/15-Rauchmelder
In hochwertigen Rechenzentren findest du meist Rauchansaugsysteme (z. B. VESDA):
- Über dünne Rohre wird kontinuierlich Luft aus dem Raum angesaugt.
- Hochsensible Sensoren erkennen schon feinste Partikel, lange bevor ein normaler Rauchmelder auslösen würde.
- Es gibt mehrstufige Alarme:
- Voralarm: Leitwarte / Techniker werden informiert.
- Hauptalarm: Automatische Maßnahmen starten, Feuerwehr wird alarmiert, Löschanlage kann ausgelöst werden.
So wird ein schmorendes Netzteil nicht erst dann bemerkt, wenn jemand zufällig am Rack vorbeiläuft.
Löschanlagen im Serverraum: Bitte kein Wasser in der Hardware
Der Klassiker Sprinkleranlage ist im Rechenzentrum nur die letzte Verteidigungslinie. Bevor Wasser ins Spiel kommt, arbeiten in der Regel gasförmige Löschsysteme.
3. Gaslöschanlagen: Ersticken statt fluten
Zwei Varianten sind besonders verbreitet:
- Inertgase (z. B. Stickstoff, Argon, Gasgemische):
Sie senken den Sauerstoffgehalt im Raum so weit, dass das Feuer nicht mehr brennen kann, Menschen aber noch kurz Zeit zum Verlassen haben. - Chemische Löschmittel (z. B. Novec 1230, FM-200):
Sie greifen thermodynamisch in den Verbrennungsprozess ein und entziehen dem Feuer Energie, lassen aber Technik und Raum weitgehend sauber zurück.
Typisch ist:
- Eine Verzögerungszeit nach dem Hauptalarm (z. B. 30–60 Sekunden).
- Türen und Lüftungen werden angesteuert, um das Gas im Raum zu halten.
- Personen werden akustisch und optisch zur Räumung aufgefordert.
Das Ganze ist ein fein abgestimmter Kompromiss: maximaler Schutz für Menschen, minimaler Schaden an Hardware.
Was passiert, wenn ein einzelner Server tatsächlich brennt?
Jetzt zu der Frage, die man sich im Alltag ungern stellt:
Was passiert praktisch, wenn es im Gerät selbst zu einem Brand kommt?
Stellen wir uns ein Szenario vor.
4. Phase 1: Im Server – vom Defekt zum Brandherd
- Ein Bauteil (z. B. Netzteil, Spannungswandler, Kondensator) hat einen Defekt.
- Es kommt zu Überhitzung, Bauteile fangen an zu schmoren.
- Kunststoffe und Platinenmaterial entwickeln Rauch, eventuell kleine Flammen im Gerät.
- Viele Server-Netzteile besitzen interne Sicherungen und Schutzschaltungen – oft schaltet sich das Gerät ab, wenn Kurzschlüsse erkannt werden.
- Der Rauch zieht nach oben, breitet sich im Rack und Raum aus.
5. Phase 2: Die Brandmeldeanlage wird aktiv
- Die Rauchansaugung registriert die Partikel sehr früh.
- Es erfolgt zunächst ein Voralarm:
- Techniker können in die Leitwarte schauen, CCTV checken, ggf. in den Raum gehen (so lange keine Gefahr besteht).
- Wenn sich die Situation verschärft:
- Hauptalarm wird ausgelöst.
- Klimaanlagen/Belüftung werden heruntergefahren, um Ausbreitung von Rauch (und später Löschgas) zu vermeiden.
- Die Gaslöschanlage geht in Bereitschaft oder wird – abhängig vom Konzept – automatisch ausgelöst.
6. Phase 3: Löschung und Abschaltung
- Im Idealfall wird der betroffene Server oder Stromkreis gezielt abgeschaltet.
- Wenn aber mehr Rauch entsteht oder Flammen sich ausbreiten, löst die Gaslöschanlage aus.
- Der gesamte Raum wird mit Löschgas geflutet:
- Feuer erstickt bzw. verliert die zum Brennen notwendige Energie.
- Es brennt nicht weiter, neue Brandherde werden unterdrückt.
Hardware kann dadurch durchaus Schaden nehmen – aber der entscheidende Punkt ist:
Es brennt nicht der komplette Raum ab, und die Infrastruktur bleibt im Kern funktionsfähig.
Und der Betrieb? Fällt dann alles aus?
Ein professionell geplantes Rechenzentrum kalkuliert Hardware-Ausfälle grundsätzlich ein.
7. Redundanz: Wenn ein Server brennt, darf der Dienst nicht „brennen“
Typische Maßnahmen:
- Virtualisierung und Cluster: Dienste laufen nicht auf „dem einen“ Server, sondern verteilt über mehrere Hosts.
- Redundanz über Racks und Zonen: Kritische Systeme sind über unterschiedliche Brandabschnitte oder sogar Standorte gespiegelt.
- Failover-Konzepte: Fällt ein Knoten aus, übernehmen andere automatisch (oder mit minimalem manuellen Eingriff).
Das Ziel:
Ein Hardwarebrand ist ein Sicherheits- und Betriebsereignis – aber kein Totalausfall für die Kunden.
Was IT-Abteilungen und Betreiber konkret tun sollten
Auch wenn du kein eigenes großes Rechenzentrum baust, kannst du dir einige Punkte abschauen:
- Ordnung im Serverraum
Keine Kartons, kein unnötiger Müll, keine „temporären“ Lösungen, die dann jahrelang bleiben. - Strom sauber planen
- Keine überlasteten Steckdosenleisten.
- Saubere Phasenverteilung.
- Hochwertige Netzteile und Kabel verwenden.
- Monitoring & Logging
- Temperatur- und Strom-Monitoring pro Rack.
- Alarme bei ungewöhnlichen Werten.
- Regelmäßige Auswertung statt „Alerts ignorieren“.
- Brandschutz trainieren
- Mitarbeiter schulen: Was tun bei Rauchzeichen? Was tun bei Alarm?
- Evakuierungswege und -pläne kennen.
- Zuständigkeiten klar geregelt: Wer darf wann wohin?
- Wiederanlauf planen
- Notfallkonzept: Was passiert nach einem Brandereignis?
- Dokumentation der Systeme und Abhängigkeiten.
- Backup- und Restore-Prozesse real testen, nicht nur auf dem Papier.
Fazit: Brände sind einkalkuliert – Panik gehört nicht zum Plan
In einem professionellen Rechenzentrum ist ein Brand längst nicht mehr das unkontrollierbare Chaos-Szenario, das man aus alten Industriehallen kennt. Brände werden früh erkannt, räumlich begrenzt, kontrolliert gelöscht – und der Betrieb ist so designt, dass einzelne brennende Komponenten den Dienst nicht mit in den Abgrund reißen.
Die entscheidende Frage lautet nicht:
„Wie verhindern wir, dass jemals ein Server brennt?“
Sondern:
„Was passiert, wenn er es doch tut – und wie gut sind wir darauf vorbereitet?“

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