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Technologie lebt von Innovation – und von großen Visionen. Manche Ideen starten als Sensation, erobern kurz die Schlagzeilen und verschwinden dann fast spurlos. Oft scheitern sie nicht an mangelnder Genialität, sondern an Faktoren wie Preis, Akzeptanz, Alltagstauglichkeit oder fehlender Infrastruktur.
In diesem Beitrag schauen wir uns einige der spannendsten Technik-Hypes der letzten 25 Jahre an – und wie es heute um sie steht.
1. Google Glass – Zukunft im Blick (2013–2015)
Der Traum:
Eine smarte Brille, die Informationen direkt ins Sichtfeld projiziert. Navigation, Benachrichtigungen, Kamera – alles freihändig, alles in Echtzeit. 2013 präsentierte Google die „Glass Explorer Edition“ für 1.500 Dollar an ausgewählte Tester. Die Idee war, Smartphones ein Stück weit überflüssig zu machen.
Die Realität:
- Technische Limitierungen: Schwacher Akku (max. 1 Tag), geringe Displayauflösung, eingeschränkte Rechenleistung.
- Datenschutz-Bedenken: Die integrierte Kamera führte zu Verboten in Bars, Kinos und sogar ganzen Städten.
- Akzeptanzproblem: Wer Google Glass trug, fiel sofort auf – nicht immer positiv. Der Spitzname „Glasshole“ machte schnell die Runde.
Heute:
Google Glass ist nicht verschwunden, sondern hat den Fokus verlagert: Die Enterprise Edition wird in Industrie, Logistik und Medizin eingesetzt, um Arbeitsschritte mit Live-Infos zu unterstützen. Für den Massenmarkt warten AR-Brillen nun auf den nächsten Anlauf – etwa durch Apple, Meta oder andere Player.
2. 3D-Fernsehen – Die dritte Dimension für zu Hause (2010–2016)
Der Traum:
Nach dem Kinoerfolg von „Avatar“ 2009 wollten TV-Hersteller den 3D-Effekt ins Wohnzimmer bringen. Fernseher mit Shutter- oder Polarisationsbrillen, spezielle 3D-Blu-rays und Live-Übertragungen in 3D (z. B. Sportereignisse) sollten den Filmabend revolutionieren.
Die Realität:
- Unbequeme Nutzung: Brillen störten viele Zuschauer, vor allem bei längeren Sitzungen.
- Mangelnde Inhalte: Nur wenige Filme und TV-Sender boten echtes 3D-Material.
- Technische Nachteile: Helligkeitsverlust, Ghosting-Effekte und eingeschränkte Blickwinkel.
Heute:
3D-TV ist im Endkundenmarkt tot. Hersteller wie LG, Sony und Samsung haben die Funktion ab 2017 eingestellt. Die Technologie lebt nur noch in Kinos, Themenparks oder Spezialprojekten weiter. Moderne Displays setzen stattdessen auf 4K/8K-Auflösung, HDR und hohe Bildraten, die ein intensives Erlebnis ohne Brille bieten.
3. Segway – Die „Mobilitätsrevolution“ (2001–2020)
Der Traum:
Der Segway Personal Transporter sollte Städte verändern. Elektrisch, wendig, leise – perfekt für den urbanen Raum. Visionäre wie Steve Jobs und Jeff Bezos sahen darin eine völlig neue Transportkategorie.
Die Realität:
- Preisproblem: Rund 5.000 US-Dollar waren für viele unerschwinglich.
- Regulatorische Hürden: Viele Städte wussten nicht, ob Segways auf Straßen, Radwegen oder Gehwegen fahren sollten – oft waren sie gar nicht erlaubt.
- Sicherheitsrisiken: Stürze und Unfälle sorgten für Negativschlagzeilen.
Heute:
Der klassische Segway wird seit 2020 nicht mehr produziert. Der Markenname lebt in E-Scootern, Hoverboards und anderen Mikromobilitätslösungen weiter. Ironischerweise hat die Vision einer elektrischen, kompakten Stadtmobilität nun mit E-Scootern (inklusive Sharing-Angeboten) den Massenmarkt erreicht – nur eben ohne den ursprünglichen Segway.
4. Virtual Reality 1.0 – Ein holpriger Start
Der Traum:
Schon in den 90ern wollten Entwickler mit klobigen Headsets und rudimentären Grafiken den Nutzer in virtuelle Welten entführen. In den 2010ern kam die große Neuauflage: Oculus Rift, HTC Vive und PlayStation VR versprachen ein völlig neues Gaming- und Multimedia-Erlebnis.
Die Realität:
- Technische Grenzen: Frühe VR-Headsets hatten niedrige Auflösung, begrenzte Sichtfelder und verursachten Motion Sickness.
- Content-Engpass: Abseits von Spielen gab es kaum Inhalte, die den Preis rechtfertigten.
- Alltagstauglichkeit: Kabelsalat, teure PCs und sperrige Brillen verhinderten die Massenadoption.
Heute:
VR ist im Gaming, in Industriesimulationen, Medizintraining und Bildung etabliert. Mit Standalone-Headsets wie Meta Quest und High-End-Geräten wie Apple Vision Pro werden Brillen leichter, kabellos und vielseitiger. Der Trend geht jedoch in Richtung Mixed Reality – die Verbindung aus realer und virtueller Welt.
5. Fazit – Zwischen Scheitern und Comeback
Viele Technik-Trends verschwinden nicht wirklich. Sie tauchen oft Jahre später in verbesserter Form wieder auf – oder finden eine Nische, in der sie perfekt funktionieren. Google Glass, VR und elektrische Kleinfahrzeuge zeigen: Innovation braucht nicht nur eine gute Idee, sondern auch den richtigen Zeitpunkt, das passende Ökosystem und gesellschaftliche Akzeptanz.
Vielleicht gilt das bald auch für andere „gescheiterte“ Ideen wie holografische Displays, modulare Smartphones oder gar den papierlosen Alltag.
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