Die Entwicklung der Terminalserver-Technologie erstreckt sich über mehrere Jahrzehnte und ist eng mit dem Fortschritt in der Computer- und Netzwerktechnik verknüpft. Im Folgenden wird die Historie in einzelnen Etappen dargestellt – von den ersten Ideen des Time-Sharing bis hin zu Cloud-basierten Lösungen wie Azure Virtual Desktop und Windows 365.
1. Die Vorläufer (vor 1970): Die Ära der Mainframes und Time-Sharing
- 1960er:
- In den 1960er-Jahren entstand das Konzept des Time-Sharing auf Großrechnern (Mainframes). Durch Time-Sharing konnten mehrere Benutzer*innen gleichzeitig auf denselben Computer zugreifen.
- Die Rechenzeit des Mainframes wurde zwischen den einzelnen Nutzenden aufgeteilt, sodass alle den Eindruck erhielten, exklusiv auf die Ressourcen zugreifen zu können.
- Die Interaktion erfolgte über einfache Terminals, die nur Ein- und Ausgabegeräte waren und keine eigene Rechenleistung besaßen. Damit war zwar noch kein dedizierter „Terminalserver“ im heutigen Sinn verfügbar, doch das Grundprinzip – zentrale Verarbeitung, dezentrale Nutzung – war bereits geboren.
2. Die ersten Terminal-ähnlichen Systeme (1970er – 1980er)
- 1970er:
- Entwicklung spezialisierter Terminals, die über serielle Verbindungen mit Mainframes oder Minicomputern kommunizierten. Ein berühmtes Beispiel ist der VT100 von Digital Equipment Corporation (DEC), der 1978 vorgestellt wurde.
- Diese „dummen“ Terminals führten keine eigenen Programme aus, sondern dienten als Ein-/Ausgabe-Schnittstelle zum zentralen Rechner.
- Ende der 1970er / Anfang der 1980er:
- Das Aufkommen von Minicomputern revolutionierte die IT-Landschaft. Diese kostengünstigeren Systeme unterstützten ebenfalls Time-Sharing und erweiterten das Einsatzspektrum der Terminal-Technologie.
- Unternehmen konnten nun auf kleineren, weniger teuren Systemen arbeiten, während die Idee des zentralen Betriebs mit dezentralen Zugriffsmöglichkeiten weiter bestand.
3. Die Anfänge des modernen Terminalservers (1980er – 1990er)
- Mitte der 1980er:
- Fortschritte in Software und Netzwerktechnik machten erste Terminalserver-ähnliche Lösungen möglich.
- 1989 wurde Citrix Systems gegründet. Citrix entwickelte im Anschluss bahnbrechende Software wie Multiuser und später WinFrame, mit denen Anwendungen auf einem zentralen Server ausgeführt werden konnten. Die Bildschirmausgabe und Eingaben wurden über das Netzwerk an die jeweiligen Clients gesendet.
- Das Prinzip, Rechenleistung und Applikationsbetrieb auf einem Host zu bündeln und gleichzeitig mehrere Sitzungen zu unterstützen, legte den Grundstein für moderne Terminalserver-Lösungen.
- Anfang der 1990er:
- Weitere Anbieter wie Tektronix stiegen in den Markt ein und boten Terminalserver-Lösungen zur Nutzung von Unix-basierten Anwendungen an.
- Die Technologie reifte weiter, sodass immer mehr Unternehmen in unterschiedlichen Branchen Terminalserver einsetzten, um zentralisierte IT-Services anzubieten.
4. Der Durchbruch mit Windows Terminal Server (1990er)
- 1998:
- Mit der Windows NT 4.0 Terminal Server Edition brachte Microsoft die Terminalserver-Funktionalität direkt in das weit verbreitete Windows-Betriebssystem.
- Das Remote Desktop Protocol (RDP) wurde als Standardprotokoll eingeführt, um die Kommunikation zwischen Client und Server zu ermöglichen.
- Dieser Schritt war von großer Tragweite, da Unternehmen, die bislang auf Mainframe- oder Unix-Lösungen angewiesen waren, nun auch im Windows-Umfeld von Terminaldiensten profitieren konnten.
5. Weiterentwicklung und Virtualisierung (2000er)
- Anfang der 2000er:
- Microsoft entwickelte die Terminaldienste (Terminal Services) unter Windows 2000 Server und Windows Server 2003 konsequent weiter.
- Verbesserungen in Leistung, Sicherheit und Verwaltung trugen dazu bei, dass Terminalserver zunehmend in Unternehmen unterschiedlichster Größenordnung Einzug hielten.
- Mitte der 2000er:
- Die Virtualisierungstechnologie gewann immer stärker an Bedeutung. Anbieter wie VMware und Microsoft (mit Hyper-V) ermöglichten das gleichzeitige Betreiben mehrerer virtueller Maschinen auf einer physischen Hardware.
- Diese Entwicklung hatte unmittelbare Auswirkungen auf Terminalserver-Umgebungen: Statt nur einer zentralisierten Windows-Installation konnten Unternehmen nun ganze Serverfarmen virtualisieren und flexibler skalieren.
- Auch Citrix selbst verknüpfte seine Terminalserver-Lösungen immer enger mit Virtualisierungsstrategien, sodass Unternehmen eine noch bessere Auslastung ihrer Serverressourcen erreichen konnten.
6. Cloud Computing und virtuelle Desktops (2010er – heute)
- Ab 2010:
- Das Cloud Computing rückte ins Zentrum des Interesses. Große Anbieter wie Amazon Web Services (AWS), Microsoft Azure und Google Cloud Platform (GCP) etablierten sich mit umfangreichen Infrastructure-as-a-Service-(IaaS)- und Desktop-as-a-Service-(DaaS)-Modellen.
- Unternehmen lagern ihre IT-Infrastruktur zunehmend in die Cloud aus, um Hardwarekosten und Wartungsaufwand zu reduzieren.
- 2019:
- Microsoft stellte Windows Virtual Desktop (mittlerweile in Azure Virtual Desktop umbenannt) vor – eine Komplettlösung zur Desktop- und App-Virtualisierung in der Azure-Cloud.
- Damit können Organisationen ihren Mitarbeitenden virtuelle Windows-Desktops und -Anwendungen zur Verfügung stellen, ohne sich um physische Server-Hardware kümmern zu müssen.
- 2021:
- Mit Windows 365 brachte Microsoft einen „Cloud-PC“-Dienst auf den Markt. Hierbei können Benutzer*innen einen vollwertigen Windows-Desktop in die Cloud „streamen“ und von praktisch jedem internetfähigen Endgerät aus nutzen.
- Dieser Schritt verdeutlicht, wie sehr sich das Konzept des zentralisierten Arbeitens, das bereits in den 1960er-Jahren mit Time-Sharing begann, inzwischen weiterentwickelt hat.
Zusammenfassung und Ausblick
- Vor 1970:
- Grundlagen durch Time-Sharing auf Großrechnern: Zentrale Rechenleistung, mehrere Nutzer*innen parallel.
- 1970er – 1980er:
- Entwicklung „dummer“ Terminals und vermehrter Einsatz von Minicomputern.
- Erste terminalähnliche Systeme werden verbreitet eingesetzt.
- 1989:
- Gründung von Citrix, einem Vorreiter im Bereich Terminalserver.
- Die Idee, mehrere Nutzende per Netzwerk an einen zentralen Server anzubinden, nimmt konkrete Gestalt an.
- 1998:
- Microsoft veröffentlicht Windows NT 4.0 Terminal Server Edition.
- Integration der Terminalserver-Funktionen in Windows steigert die Verbreitung enorm.
- 2000er:
- Weiterentwicklung der Terminaldienste (Terminal Services) in Windows-Server-Betriebssystemen.
- Aufkommen der Virtualisierung (VMware, Hyper-V) ermöglicht neue Einsatzszenarien.
- 2010er – heute:
- Cloud Computing wird zum Standard, Desktop-as-a-Service-Lösungen gewinnen an Popularität.
- Microsoft startet Windows Virtual Desktop (Azure Virtual Desktop) und Windows 365 – zentrale Desktop-Services aus der Cloud.
Über die Jahrzehnte hinweg blieb das Grundprinzip gleich: Anwendungen laufen auf einem zentralen System, während die Anwender*innen nur Ein- und Ausgabesignale senden bzw. empfangen. Was mit Mainframes und „dummen“ Terminals begann, hat sich in Richtung hochgradig skalierbarer Cloud-Lösungen entwickelt. Dieser Wandel zeigt, wie anpassungsfähig das Terminalserver-Konzept ist – und dass die Grundidee der zentralen Anwendungsausführung auch in Zukunft eine wichtige Rolle in der IT spielen wird.
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